11.08.2012 00:22 Age: 12 yrs
Category: Gedanken, Wellness
By: Liane Kwoll

Stiller Held - Das „Best-Ager-Wellness-Versprechen“ und die Realität


Ich habe Urlaub. Die nächsten drei Wochen werde ich morgens nicht zur Arbeit gehen. Das bedeutet auch: die nächsten drei Wochen werde ich IHN nicht sehen.
Er ist so etwas wie meine Uhr. Wenn er an der Kreuzung Hamburger Straße - Bahnbogen gerade erst den KFC erreicht hat, kann ich mir Zeit lassen. Überquert er die Straße, ist schon etwas mehr Eile angesagt. Sehe ich ihn aber nur noch von hinten langsam die Hamburger Straße hinauf gehen, dann muss ich meine Beine in die Hand nehmen, um den Zug nicht zu verpassen. Oder schneller in die Pedale treten, falls ich mit dem Rad unterwegs bin.
Diese 100, vielleicht 150 Meter machen viel aus. Sie entscheiden, ob ich pünktlich zur Arbeit komme oder nicht. Denn für ihn sind das mehr als ein paar Schritte, er braucht Minuten für diesen Weg.
Dabei ist er nicht wirklich alt. 60 Jahre etwa - sagt sein Gesicht. Einer der „Best Ager“ also, von denen die Werbung das Bild aktiver, lebensfroher „Noch-nicht-Senioren“ entwirft, um einer zahlungskräftigen Zielgruppe zu schmeicheln. Die Realität nimmt meist weniger Rücksicht.
Sein Schritt ist schleppend. Mit einem schweren Einkaufsbeutel bepackt, müht er sich Meter um Meter vorwärts. Jeden Tag um die gleiche Zeit.
Mich rührt, dies zu sehen. Ein unscheinbarer Mann kämpft einen stillen, aber heldenhaften Kampf gegen das Alter. Es hat ihn schneller eingeholt als die meisten anderen. Wir alle hoffen, mit 60 Jahren das Werbeideal „Best Ager“ zu leben. Ich auch.
Das Zwicken in meinem Rücken und das Knirschen in meinen Knien aber geben mir deutlich zu verstehen, dass Gesundheit ein kostbares Gut ist, das gepflegt werden will. Zum Glück kann uns auch hier die Werbung helfen: Wellness heißt das Zauberwort.
Doch Wellness ist nicht nur ein schickes Lifestyle-Produkt, das als Alibi konsumiert wird, um im Alltag weiter unachtsam mit unserem Körper und unserer Seele umzugehen. Wellness muss verstanden, verinnerlicht und gelebt werden. Nur so ist es eine echte Investition in unsere Zukunft.
Trotzdem kann auch sie uns - entgegen vieler Heilsversprechen - keine ewige Jugend garantieren. Und wenn es dann irgendwann so weit ist, dass das Alter mich einholt und „Los! Runter von der Couch!“ und „Unterwegssein“ nur noch eine Aufforderung dazu sind, den täglichen Einkauf zu erledigen - dann wünsche ich mir SEINEN Mut.

Foto: Günter Havlena/pixelio.de


Neu: 16. Oktober 2015

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