24.08.2012 15:49 Age: 12 yrs
Category: KULTUR-QUICKIES, STÄDTE-QUICKIES, Hamburg, Cosmic Wall
By: Liane Kwoll

Reflexionen an und über imaginäre(n) Mauern: „A Monument To Pink Floyd“ im Planetarium Hamburg


3D-Filme? Kinderkram! Wisst Ihr, was wirklich flasht? Euch zusammenzucken lässt, weil Ihr mitten drin seid?
360° um Euch herum eine Welt aus Bildern, Filmszenen und Licht, projiziert an eine große Kuppel, auf die Ihr aus Euren Liegesitzen heraus atemlos und staunend starrt und dabei das Gefühl habt, dass nicht die Bilder um Euch herum sich drehen, sondern Ihr Euch selbst.
Nebel hüllt Euch ein, durchschnitten von grell farbenen Laserstrahlen und tanzenden Lichtfeldern und aus den Boxen der gewaltigen Soundanlage schallt eines der größten Meisterwerke der Rockmusik überhaupt.
Das hat nichts mehr mit den Planetariumsbesuchen zu tun, wie Ihr sie vielleicht noch von diversen Schulausflügen kennt. Es ist ein multimediales Erlebnis, das die Grenzen zwischen Imagination und Realität auflöst und damit einem Werk wie „The Wall“ von Pink Floyd mehr als nur angemessen ist.
Zugegeben, ich kannte „The Wall“ bis dahin noch nicht. Wie wohl jeder wusste ich um seine Bedeutung, hatte „Another Brick in the Wall (Part II)“ rauf und runter gehört und das gesamte Album stand schon lange auf meiner Liste der Dinge, mit denen ich mich irgendwann einmal näher beschäftigen wollte. Dann stieß ich auf den Veranstaltungshinweis von „The Cosmic Wall – A Monument To Pink Floyd“ im Planetarium Hamburg und mir war klar: Da muss ich hin.
Die Story ist schnell erzählt. Der Titelheld Pink ist tief traumatisiert. Sein Vater im Krieg gefallen, seine Mutter überbehütend, die Lehrer grausam und die Liebe enttäuschend. Sein Leben als erfolgreicher Musiker überfordert den jungen Künstler völlig. All das sind die Steine, aus denen er eine hohe Mauer um sich baut, um nichts mehr zu fühlen. Die emotionale Isolierung und die Drogen, in die er sich flüchtet, führen zum Zusammenbruch. Er kann seine Gefühle nicht länger unterdrücken und die Mauer stürzt ein. In seiner Verletzlichkeit empfindet er es das als Strafe. Doch es ist seine Rettung.
Was in diesen knappen Worten wie ein tausendfach gehörtes Klischee klingt, ist eine düstere Leidensgeschichte mit autobiografischen Zügen ihres Schöpfers Roger Waters. Und es ist ein Kunstwerk voll berührender Schönheit.
Ich weiß nicht, welche Bilder dem Original und welche der Inszenierung des Planetariums Hamburg entstammen, das sich dafür Designer des STARLIGHTProduction-Teams ins Boot holten. Die Kombination aus beidem aber war einfach grandios.
Beklemmende Trickszenen voll intensiver Symbolik, kaleidoskopartige Lichtspiele, kosmische Sternenbilder und faszinierende Lasereffekte, untermalt von der legendären Musik von Pink Floyd, erweckten die Welt des tragischen Antihelden zum Leben und wie für ihn war es auch mir bald nicht mehr möglich, zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden. Nach wenigen Minuten schon gab mein Verstand auf, die Symbolik zu entschlüsseln und Worte zu finden für das, was ich hörte und sah.
Um mich herum ein Labyrinth aus hohen Mauern, durch das ich irrte. Strudel aus Farben wie im Drogenrausch. Mir wurde kalt, als ich einsam durch das All trieb und langsam die Erde an mir vorbei zog. „Ist irgendjemand dort draußen?“ fragte ich mich hilflos wie Pink und als am Ende die Mauer zerbarst, fühlte ich mich seelisch nackt und verletzlich ... und irgendwie befreit. Ich dachte über Mauern nach. Die des Pink und meine eigenen. Den ganzen Heimweg lang. Und auch jetzt, am Tag danach, bin ich noch ganz aufgewühlt, während ich diese Zeilen schreibe.
Sind wir Menschen nicht erstaunliche Wesen? Einige von uns gehen am Leid zugrunde, andere stumpfen ab oder werden damit nur fertig, wenn sie es an andere weiter geben. Doch dann gibt es auch die, die es nicht nur irgendwie bewältigen, sondern die ein Kunstwerk daraus erschaffen, das andere berührt und bewegt. Schmerz in Schönheit zu verwandeln - das ist vielleicht eine unserer bemerkenswertesten Fähigkeiten.

Foto 1: cpoyright Planetarium Hamburg
Foto 2 und 3: copyright Starlight Productions/Planetarium Hamburg

 


Neu: 16. Oktober 2015

los-runter-von-der-couch
zieht um auf Wordpress

Die Macher: Liane und ...

Gerd, Schleswig-Holstein