28.06.2012 13:37 Age: 12 yrs
Category: WE-TRIP, KULTUR-WE-TRIP, STÄDTE-WE-TRIP, Sachsen-Anhalt, Magdeburg
By: Liane Kwoll

Magdeburg Romantik 2.0: "Ist das Kunst oder kann das weg?"


Wer hätte das gedacht? Magdeburg ist eine Künstlerstadt geworden. Hat sich still und heimlich dazu entwickelt. Schon bei meinen letzten Besuchen fiel es mir auf: Die Menschen sehen anders aus. Anders als anderswo. Anders als früher ...

Damals schlug Magdeburgs Herz im Rhythmus des Stahls. Ingenieure brauchte der Moloch. Die "Otto von Guericke" war zuerst Technische Hochschule, dann Technische Universität und die Wiederholung des Experiments der berühmten Magdeburger Halbkugeln wurde zum wohl inszenierten medialen Großereignis.

Doch ich erinnere mich, auch damals schon der anderen Seite begegnet zu sein. Theater in Hinterhöfen zum Beispiel, privat organisiert von Frei- und Querdenkern, die sich dem staatlichen Kulturmonopol der DDR nicht unterwerfen wollten.

Vielleicht war das der Samen. Zumindest verspürte ich ein Echo dieses Geistes bei der Romantik 2.0, die vom 1. bis 24. Juni 2012 das leerstehende Altstadtkrankenhaus zur alternativen Kultur-Location machte.

Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Freie Kunst ist nicht mehr auf Hinterhöfe verbannt. Mitten in Magdeburgs Zentrum präsentiert die Grüne Zitadelle - der größte und schönste Hundertwasserbau - ein neues Verständnis von ingenieurtechnischem Denken, das nicht im Widerspruch zu Kreativität, Individualität und Harmonie mit der Natur steht.

"Technik meets Kunst" liegt im Trend. Auch die Magdeburger Halbkugeln haben diese Entwicklung mitgemacht und sind heute fantasievoll bemalt überall in der Stadt zu finden.

Also Friede, Freude und kunterbunte Cookies - um nicht die altbackenen Eierkuchen zu bemühen?

Wohl kaum ...

Die Romantik 2.0 provozierte und polarisierte. In mehr als 250 Räumen erwartete die Besucher die gesamte Bandbreite von Begeisterung bis Schock, von gelangweiltem Gähnen bis zu tiefster Berührung, von völligem Unverständnis bis hin zum eigenen Wiederfinden in den Werken der Künstler. Alles an einem Ort, an dem sich die ehemals sterile Krankenhausatmosphäre mit dem Verfall eines verlassenen Bauwerks vermischte und einen morbid kontrastierenden Rahmen für das Gesamtkunstwerk Romantik 2.0 bildete, das vor Lebendigkeit nur so sprühte. Das getragen wurde von der Begeisterung, der Leidenschaft und der Energie seiner Künstler, der Organisatoren und all der freiwilligen Helfer.

Ich glaube, genau das war es dann auch, was mich an die alten Hinterhof-Zeiten erinnerte. Wieder zu entdecken, dass Kunst nicht das ist, was man konsumiert, sondern das, was man erschafft. Lebendig und mutig. Nicht clean, nicht blasiert und kein elitäres Lifestyle-Accesoire. Keine Antworten vorgebend, sondern Fragen stellend - und mit vollem Bewusstsein dabei auch die eine böse Gegenfrage provozierend: „Ist das Kunst - oder kann das weg?“

Foto: Teufel, Skulptur auf der Romantik 2.0




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